Im Tal der Fella

Das Wort „Kanaltal“ hat im Deutschen einen schalen Beigeschmack. Kanal klingt heute eindeutig nach Abwasser und symbolisiert somit das Gegenteil von dem was das Tal zwischen den Julischen und Karnischen Alpen bietet. Das Kanaltal wurde aus dem Friulanischen „Chianàl“ – schlauchartiges Bergtal- ins Italienischde „Val Canale“ übernommen. Ins Deutsche folgte die Übersetzung „Kanaltal“. Dabei hat dieses wunderschöne Tal mit einem Kanal in unserem Sinne gar nichts zu tun. Hohe felsige Berge, weitläufige Quertäler, wildromantische Wasserfälle und die Fella selbst sind Naturschönheiten ersten Ranges.  Um die Übersetzungunschärfen auszugleichen, habe ich für mich beschlossen, das Kanaltal ab heute in „Tal der Fella“ umzubenennen.

Blick von der Chiesa Chiusaforte südwärts in das Tal der Fella
Unzählige Wasserfälle springen die Felsen hinunter zur Fella
Die junge, wilde Fella, dort wo sie den Tagliamento heiratet, bei Carnia, ist sie schon wesentlich gelassener.

Die erste Pause mache ich am alten Bahnhof von Chiusaforte. Das kleine, verschlafene Dorf liegt an der Fella und die alte, zum Wanderweg umgebaute Eisenbahnstrecke führt oberhalb vorbei. Chiusaforte hat nur mehr ein paar Hundert Einwohner. In der Kaiserzeit war es viel bedeutender. 3000 Menschen bewohnten die Engstelle zwischen der Fella und dem Neveasattel. Davon zeugt auch der riesige Duomo, der so einem kleinen Örtchen nicht angemessen ist. Er thront auf einem großen Felsen über dem Ortszentrum. Beim Aufstieg entdecke ich im Fels ein Figurenspiel, das ich mir aber nicht erklären kann.

Figurenspiel im Fels beim Aufstieg zum Duomo von Chiusaforte

Wer viel geht, muss auch trinken und essen. Eine wohlschmeckende, regionale Spezialität des Friauls ist der Frico. Nie gehört? Ich kenne das Gericht auch erst seit einigen Jahren. Er ist sehr ist eine bodenständige Köstlichkeit und eine richtige Kraftnahrung. Vielleicht wurden früher Holzfäller nach einem schweren Tag am Waldhang damit wieder aufgepäppelt? Das kalorienreiche Essen besteht aus zerstampften Erdäpfeln und beigemischtem friulanischem Käse. Jeder Koch, jede Hausfrau hat dann noch ihr eigenes, geheimes Rezept der Kräuter- und Zwiebelabstimmung. Eines ist auch klar: Olivenöl gehört unbedingt dazu, wenn die Teigmasse in der Pfanne gebraten wird. Beidseitig leicht bräunlich schmeckt der Frico am besten.

Friulanische Spezialität: Frico mit gebratenem Polenta – köstlich!

Mein heutiges Hauptziel ist die Stadt Pontebba. Vor hundert Jahren und mehr eine wichtige Grenzstadt zwischen dem Königreich Italien und der k & k Monarchie Österreich-Ungarn. „Pontebbana“ heißt der alte Grenzfluss, der das italienische Pontebba von der österreichischen Ortschaft „Pontafel“ bis 1918 trennte. Heute sind beide Orte eine Gemeinde. Pontafel gibt es nicht mehr.

Der alte Grenzfluss „Pontebbana“, über Jahrhunderte sprachliche und ethnische Grenze zwischen Germanen und Romanen

Wer genau schaut, kann auch noch den alten Grenzstein an der Brücke entdecken. Er steht von Süden kommend in deutscher Sprache rechts nach der Brücke und auf italienisch links nach der Brücke. Das Friaul ist der einzige Punkt in ganz Europa wo alle drei Volksstämme Europas aufeinander treffen und jahrhundertelang in völliger Eintracht nebeneinander friedlich gelebt haben. Nirgends sonst in Europa treffen die Romanen mit Italien, die Germanen mit Österreich und die Slawen mit Slowenien direkt aneinander. Die Sprachenvielfalt ist eines der positiven Ergebnisse, der guten Nachbarschaft. Ich kenne nicht wenige Friulaner, die erstens friulanisch, zweitens italienisch, drittens deutsch, viertens slowenisch und fünftens englisch – zumindest der Verständigung nach – sprechen.

Der alte Grenzstein zwischen Österreich und Italien. Er bildete mehr als 900 Jahre die sprachliche, ethnische und staatliche Grenze.

Auf dem Friedhof in Pontebba befindet sich neben vielen anderen Gräbern das Grab des Salzburger Schützen Anton Schwärzler. Er war als 17-jähriger freiwillig für den Kaiser an die Südfront eingerückt. Doch schon bald ereilte ihn das Schicksal des „Heldentodes“. Am 29. September 1915 fiel er bei Kampfhandlungen mit Italien. Eines von so vielen tragischen Schicksalen von jungen Männern in dieser schweren Zeit. Erst fast hundert Jahre später wurde die Familie durch die in der Kronenzeitung veröffentlichten Recherchen des Redakteurs Wolfgang Weber auf den Verbleib ihres Anverwandten aufmerksam.

Das Grab des Salzburger Jungschützen, geehrt mit einem Kranz mit dem Landeswappen von Salzburg

Von Artegna ins Epizentrum von 1976 und nach Resiutta

Bei bestem Wanderwetter, sonnig und am Bergesrand schon ein wenig herbstlich kühl, geht mein Weg morgens von den gastfreundlichen Wirtsleuten im Al Castello nach Gemona. Die wenigen Kilometer habe ich bei diesen perfekten Bedingungen schnell hinter mir. Ich gehe die alte Straße nahe am Berg, die ich bisher gar nicht kannte.

Herrliches, nicht zu heißes Wanderwetter verspricht der Vormittag

Die nach dem schweren Erdbeben 1976 teils detailgetreu wieder aufgebaute Altstadt von Gemona zeigt sich von ihrer besten Seite. Die wunderschöne Kirche, die engen Gassen und wie so oft im Friulanischen, mit Festen aus der alten Zeit, nicht selten mit der rotweißroten Fahne Österreichs. Klar, waren doch die Habsburger jahrhundertelang die Gebietsherren.

Die enge, alte Gasse zwischen dem Duomo und dem Municipio – dem Rathaus
Ankommende Akteuere, eines der vielen Mittelalterfeste im Friulanischen

Mich führt mein Weg weiter zum Fuße des Monte Cjamparis. Zu sehen rechts am Weg der antike Kalkofen der Familie Copetti. Er wurde seit der Römerzeit – freilich mehrmals erneuert – bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zur Gewinnung von Kalkprodukten für die Bauwirtschaft auf einfachste Art und Weise genützt.

Antiker Kalkofen bei Gemona

Gleich nach dem bestaunten Kalkofen biegt der Wanderweg rechts ab. Ich darf eine wunderschöne Wanderung durch die Natur auf einem engen Pfad erleben. Dazu herrliche Ausblicke genießen, in die Berge und zum See, der sich plötzlich linker Hand zeigt. Hier ist wanderen, pilgern keine Anstrengung, sondern nur Genuß, so vielfältig schön breitet sich die Landschaft vor dem Wanderer aus.

See und Berge: Ausblick am Weg von Gemona nach Venzone

Wenig später komme ich an der Chiesa Spirito Santo, also der Kirche des Heiligen Geistes, vorbei. Der Aufgang, der Kirchenbau, die Nebengebäude, alles liegt lieblich eingebettet in den Julischen Alpen. Man hat fast das Gefühl, dass das Gebirge diese Baujuwelen, so wie eine Mutter ihr Kind, zärtlich in Händen hält. Gäbe es das Ambiente nicht schon, man müsste es erfinden, so stimmig und wunderbar gibt es sich.

Aufgang zur Chiesa Spirito Santo mit stimmigen Hintergrund

Der Tag wird heißer. Ich gehe daher zügig Richtung Venzone weiter. Am späten Vormittag erreiche ich die mittelalterliche Stadt. Sie wird von einer doppelten Stadtmauer samt Festungsgraben umgeben. Am Hauptplatz befindet sich das historische Rathaus. Venzone, Gemona und das nahegelegene Osoppo teilen sich ein Schicksal. Am 6. Mai 1976 lagen sie im Epizentrum des Erdbebens, das fast eine Minute lang das Land erschütterte. In Summe starben durch das Erdbeben fast 1000 Menschen. Es gab von österreichischer Seite große Rettungs- und dann Hilfsanstrengungen. Ich kann mich noch gut an die vielen Fernsehberichte und Spendenaufrufe für das mir damals als Kind ferne Friaul erinnern.

Hauptplatz mit Rathaus von Venzone
So sah es 1976 nach dem schweren Erdbeben in Venzone aus

Inzwischen hat sich die Stadt von dem schweren Schicksalsschlag völlig erholt. Immer mehr Besucher, vor allem Radtouristen, strömen durch die Stadtanlagen. Neben dem mittelalterlichen Aussehen hat Venzone aber noch etwas ganz besonderes: Venzone ist seit Jahren die „Lavendelhauptstadt“ Italiens. Der Lavendelgeruch durchzieht die ganze Stadt. In allen Gassen und an allen Ecken finden sich Lavendelstände und Geschäfte. Ein Einheimischer sagte mir, dass die Landwirte wegen der allgemein angespannten Preislage auf dem Argarmarkt zum Lavendelanbau umgestiegen sind. Sie haben damit offenbar eine gute Marktlücke gefunden.

Lavendelgeschäft in der Altstadt von Venzone

So gut es mir hier auch gefällt, die Zeit verrinnt, ich muss weiter. Nächstes Ziel ist Carnia. Dort oder in der Nähe möchte ich mich nach einer Übernachtungsmöglichkeit umsehen. Ein zügiger Marsch führt mich direkt in das Zentrum des Dorfes, das mit einem großen Bahnhof ausgestattet ist.

Wie ich so bei den Häusern und Gärten vorbeimarschiere, mache ich mir Gedanken über die Sicherheitsverhältnisse in Friaul. Warum schützen die Menschen hier ihren Lebensbereich so intensiv. Gibt es Gründe dafür? Eine hohe Kriminalität? Oder andere Faktoren? Jedenfalls habe ich doch einige Barrikaden an den Gartenzäunen für erwähnenswert gefunden. Etwa den Zaun um den Bungalow an der Straße nach Carnia. Den Schildern ist zu entnehmen, dass der ungebetene Besucher sowohl gefilmt, als auch von einem Hund unfreundlich empfangen werden wird. Zudem sind wohl symbolisch zwei steinerne Löwen links und rechts am Gartentor als Aufpasser angebracht. So weit, so gut! Dass aber der ganze Gartenzaun mit „Nato-Draht“ umwickelt ist, zeugt doch von einer großen Furcht und radikalen Maßnahmen gegen ungewollten Besuch. „Nato-Draht“ ist militärisch und gleicht einem Stacheldraht, ist aber mit rasiermesserähnlichen Klingen versehen. Schon beim geringsten Kontakt erleidet man schwere Schnittwunden. Selbst die Armee verwendet ihn nur bei erhöhtem Sicherheitsbedürfnis. Die zweite festgehaltene Zutrittsverhinderung schaut dagegen schon fast ein wenig infantil aus. Per Zeichnung am Gartentor wird der „ungebetene Besucher“ darauf aufmerksam gemacht, dass das Haus mit Hund, Messer, Pistole und Gewehr verteidigt wird. Auf meine Nachfrage, über die Sicherheitslage in Italien, erzählt mir die Kellnerin vom Lokal „Carnia“, dass die unkontrollierten und illegalen Einwanderer aus Afrika und Asien zumindest gefühlsmäßig die Sicherheit gefährden. Und dann fragt sie mich: „Warum bitteschön werden Flüchtlinge, die 20 km vor der libyschen Küste geborgen werden, per oft selbsternannten Rettungsorganisationen 500 km über das Meer nach Italien geschleppt? Und wenn sie da sind, nimmt sie uns keiner in Europa ab!“ Ich habe keine Gegenargumente.

Private Hochsicherheitsumzäunung mit gefährlichem Nato-Draht
Einbrecherabschreckung in Carnia

In Carnia angekommen, bin ich etwas enttäuscht über den Zustand der Stadt. Viele Häuser im Zentrum sind unbewohnt. Es stehen mehr Geschäfte leer, als noch offen haben. Hier im Land zwischen Udine und Tarvis macht sich die Landflucht sehr bemerktbar. Die Jungen wandern in die zentralen Räume ab. Dort sehen sie alle mehr Zukunft als am Ende des Kanaltals. Bevor die Autobahn in den Süden gebaut wurde, boomte die Wirtschaft. Die Urlauber der Adria mussten durch das enge Kanaltal. Die Gastronomie und die Wirtschaft hatten ihre beste Zeit. Jetzt verirren sich nur mehr selten Südreisende in die Gegend. Vielleicht ein paar Motorradfahrer. Mit dem neuen Radweg auf der alten Eisenbahnstrecke zwischen Tarvis und dem Meer, dem „ciclovia Alpe Adria“, soll der Tourismus wieder angekurbelt werden. Sicherlich eine wertvolle Möglichkeit gute und sanfte Touristen ins Land zu holen.

Sind alle Menschen in Carnia Vegetarier geworden? Der Metzger hat jedenfalls zugesperrt!

Im friulanischen Herzen: von Udine nach Artegna

Von San Giorgio in Udine morgens aufgebrochen kann ich es nicht lassen. Einen kleinen Umweg in Kauf nehmend visiere ich das Zentrum als auch den Kleider-, Grün- und Fischmarkt an. Diese Orte hier in Udine gehören einfach zum  friulansichen Lebensgefühl. Man bekommt lokale Spezialitäten, darf alles kosten und die Verhandlungen zwischen Standlern und Kunden sind schon allein der Körpersprache wegen spannend mitzuverfolgen. Und „un caffè“, also ein aromatischer Espresso, genossen unter Menschen im landestypischen Sprachengewirr gehört unbedingt dazu!

Marktstände in Udine

Danach geht mein Weg schnurstracks Richtung Norden, Richtung Berge. Die Straße mit den vielen Geschäften links und rechts bin ich schon oft gefahren. Heute aber, zu Fuß nehme ich wirklich wahr, was sich an dieser pulsierenden Einkaufsstraße alles abspielt. Den Autoverkehr einmal ausgeblendet: ein Einkaufszentrum reiht sich an das andere, Autohäuser aller bekannten Marken sind zu finden, alte und neue Möbel,  solide Babyfachgeschäfte, begehrtes italienisches Steinwerk, Badezimmer-Armaturen in Silber und Gold, mediterran gestylte  Lampenschirme, günstige und moderne Kleidung, verführerische Damen-Schuhe, deren Absatzhöhen beinahe schwindelerregend sind und ein Tempel für Tiere bietet dann noch Notwendiges und vielleicht auch Unnotwendiges für die geliebten Haustiere, der Fantasie sind einfach keine Grenzen gesetzt.

Steinerne Schönheit am Wegesrand

Allen Verführungen widerstehend setze ich meinen Weg, das Bergpanorama immer vor Augen habend, fort. Über die Gemeinde Tavagnacco erreiche ich gegen Mittag Tricesimo. Ein heftiger Regenschauer zwingt mich zu einer Pause, die ich aber gerne mache. Der rechte Schuh drückt etwas auf der Innenseite. Spezialsocken aus dem Sportfachgeschäft sollten das eigentlich vermeiden. Trotzdem sind bei so weiten Fußmärschen Reibungen im Schuh einfach unvermeidlich. Gut ausgerüstet verordne ich mir vorbeugend ein „Blasenpflaster“.  Und die kleine Mittagsrast am Stadtplatz versöhnt meine Füße sowieso wieder.

Mein Rastplatz, der Stadtplatz von Tricesimo, der Partnergemeinde von Mittersill, wo mein Freund Wolfgang Viertler seit 2004 Bürgermeister ist.

Nach dem Intermezzo in Tricesimo wandere ich weiter durch die Ortschaften Cassacco, Magnano in Riviera nach Artegna. Im Ortszentrum angekommen bin ich überrascht, welch schmuckes Städtchen mir dargeboten wird. Die Innenstadt mit ihren engen Gässchen, mit den vielen kleinen Lokalen  „Le Trappole“ (Fallen), wie ich sie nenne, und darüber thronend die Chiesetta San Martino und das Castello Savorgnan. Beide Historienbauten sind mehr als einen Besuch wert!

Ich habe heute die friulanische Ebene verlassen und bin an den Hängen der Julischen Alpen angekommen. Schon die Kelten schätzten diesen Ort und den Hügel mit der Burg als Aussichts- und Verteidigungspunkt. Ich darf ihn als Wohlfühlort schätzen lernen – Gottseidank!

Abgang von der Burg mit Blick auf die Stadt und den Julischen Alpen im Hintergrund
Castello Savorgnan e chiesetta San Martino

Während ich diese Zeilen verfasse, bringt mir die Wirtin vom Al Castello, wo ich übernachte, Käse und Brot und ich schließe mit einem „buon appetito“ und später mit einem „buona notte“ und freue mich auf „a domani“!

Friulansiche Käseplatte – Formaggio – zugerbereitet von der umsichtigen Wirtin

Udine, die Perle Friauls

Oft und oft bin ich auf der Autobahn südwärts durchgerauscht in Richtung Meer. Urlaub, Sonne und Meer waren einfach unzertrennliche Brüder. Udine, das zentrale Friaul überhaupt, blieb immer links liegen. Zugegeben, der industrielle Speckgürtel der 100.000 Einwohner Stadt lädt nicht zu mehr ein. Aber dann kam der Tag, an dem mich mein Freund Wolfgang ins Zentrum von Udine lockte. Und? „Liebe auf dem ersten Blick“, beschreibt die Situation am besten. Diese wunderschöne Altstadt, die Plätze, das Castello, überhaupt der Schlosskomplex am Berg, er erinnert ein wenig an ein kleines Salzburg, der Duomo, die mannigfachen Geschäfte und und und…

Unter „und und und…“ fallen auch die vielen kleinen einladenden Lokale. Im Zentrum und darüber hinaus sind sie wohl so dicht verstreut, wie Kieselsteine am Strand. Immer freundliche Bedienung und dazu besten Wein aus der Region, gibt es dort. Vielleicht nicht gerade im Zentrum, aber ein wenig darüber hinaus ist das Glas „Vino della Casa“ um einen Euro zu haben. Hier darf ich einen Tipp für alle Friaulreisenden abgeben. Einfach Vino della Casa bestellen. Egal ob bianco (weiß) oder rosso (rot). Der Wein ist preiswert und  sehr gut, viele sagen (auch ich) ausgezeichnet. Kein Wirt würde sich hier mit einem minderen Wein eine schlechte Nachrede einhandeln. Zu jedem Glas gibt es ein kleines Stück Naschwerk. Am Stadtplatz sind es oftmals nur Chips. Viele Lokale geben aber auch kleine Pizzaschnitten, Brote mit Schinken oder Käse und anderen kleinen Aufmerksamkeiten. Ich mag es besonders gerne, wenn Oliven dazu kredenzt werden. Wer eine Runde macht und zu zwei, drei „La Trappole“ hineingeht, spart sich das Abendessen, so angenehm voll wird der Gast von den kulinarischen und regional angehauchten Beigaben der Wirte. Den Begriff „La Trappola“ habe ich von dem kleinen Beisl unterhalb der Kirche von San Daniele für alle ähnlichen wirkenden Lokale im Friaul übernommen. Es heißt übersetzt „Die Falle“ und trifft wohl bei dem regen einheimischen Verkehr, immer schon ab den Vormittagsstunden, zu. Der Wein und das Essen mögen einzigartig gut sein. Besonders schmeckt  beides aber erst dann, wenn nebenbei das italienische Gequatschte zu hören ist. Die Frauen und die Männer überschlagen sich ja förmlich in ihrer Mitteilungsbedürftigkeit.  Die vielen Selbstlaute in den Wörtern und die Sprachmelodie geben einen Klang, der in meinen Ohren Musik ist. Die Körperbewegungen dazu könnten aus so mancher Oper stammen.

Historisches Stadtzentrum von Udine
Stadtplatz von Udine, wo auch regelmäßig Märkte stattfinden
Einfaches, aber für Pilger leicht ausreichendes Bettchen in San Giorgio

400 km und 8000 Höhenmeter warten auf mich – heute geht es los!

Um 7 Uhr bin ich unterwegs zum Duomo di San Adalberto, der Hauptkirche von Cormòns. Ein kurzes Gebet mit der Bitte, dass die Pilgerreise und Alpenüberquerung gut und unfallfrei verläuft, gibt den Startschuss für meine Wanderung. Es ist auch um diese Zeit schon sehr warm hier im zentralen Friaul.

Als ich aus der Kirche komme, beneide ich die Katze, die sich im Schatten der Kirchemauer rekelt doch ein wenig. Auf meinem heutigen Weg nach Udine wird viel Sonne aber wenig Schatten zu finden sein.

Duomo von Cormòns
Streichelweiche Samtpfote im Schatten des Doms

Von Cormòns nach Udine

Nach der Verabschiedung von meinen Freunden gehe ich ruhig und besinnlich und auch bei bester Laune die ersten Schritte meines langen Weges. Vom Monte Quarin hin nach Brazzano, über Corno die Rosazzo führen mich diese ersten Schritte. Und ich merke schon, es wird ein heißer Wanderabschnitt. 35 Grad Celsius und mehr….

Fruchtbares landwirtschaftliches Land links und rechts des Weges. Der Weinanbau an den sanften Hügeln dominiert, aber auch große Flächen von Kartoffelfeldern und Maisfeldern sind zu sehen. Vermutlich Futter für die Tiere, die schlussendlich hinter dem regionalen Verkaufsschlager „Schinken aus San Daniele“ stehen. Bei San Giovanni überschreite ich die Brücke über den Fluss „Natisone“ und komme dann unterhalb vom beeindruckenden Castello di Buttrio auf den Weg zur Ortschaft Buttrio, wo ich bei „Nonno“ die erste Rast mache.

Bei der Hitze sind nicht viele Leute an der Straße oder am Weg anzutreffen. Wer nicht raus muss, bleibt lieber im schattigen Garten. Trotzdem merke ich die Freundlichkeit der Menschen hier im Friaul. Aus den Gärten und Höfen kommt immer gleich ein freundliches „Buongiorno“ oder ein „Salve“. Öfters höre ich auch das verbindliche „Mandi“! Eine besondere Begrüßungsform der Friulaner, die es nur hier gibt. Einheimische Freunde haben mir gesagt, dass dieses „Mandi“ übersetzt „Die Hand Gottes“ heißt und das sei abgeleitet von „Mano“, also die Hand und „Dio“, dem italienischen Wort für Gott.

Trotz sengender Hitze mache ich mich wieder auf den Weg.  Der führt mich jetzt in die Wildnis rund um den Fluss „Torre“. Ich durchwandere das ausgetrocknete Flussbett und komme dann nach Pradamano. Von dort führt die gefühlt „ewig lange“ Straße „Via Buttrio“ ins Zentrum von Udine.

Pilgerimpressionen: Sono andato da Cormòns a Udine.

Die Weintrauben stehen kurz vor der Ernte und versprechen feine Tropfen
Der Weg über den Natisone, einem der landschaftsbildenden Flüsse des Friaul
Vielleicht das Schloss von Dornröschen?
Märchenhaftes Hotel: das alte Schloss „Castello di Buttrio“
Weg durch die Wildnis vor Pradamano
Durchquerung des ausgetrockneten Flussbetts des „Torres“

Ankunft in Cormòns

Torbogen am Stadtplatz von Cormòns. Im Hintergrund oben am Monte Quarin die Kirche St. Anna aus dem 17. Jahrhundert

Mit meinen Freunden Walter, Rudi und Franz bin ich per Fiat Scudo nach Cormòns gekommen. Genächtigt wird bei den „Buzzinellis“. Ein Weinbauer im Ortsteil Pradis. Die Qualität seiner  Weine ist weit über das Collio hinaus bekannt. Der gesellige Abend mit Freunden bietet das richtige Startumfeld für den morgigen Tag.

Morgen sind an die 40 Grad Celsius für den etwa 25 Kilometer langen Weg nach Udine angesagt. Das wird mir einigen Schweiß abverlangen.

Natürlich besuchen wir heute noch die Enoteca di Cormòns. Dort haben wir mit der Salzburg-Friulanischen Gesellschaft mit großer Beteiligung der ansäßigen Bevölkerung bereits zwei Friedenskonzerte organisiert.

Das Friaul bietet für jeden etwas. Für den erlebnisdurstigen Touristen die weitläufigen Sandstrände an der Adria.  Für die Individuellen sind die engen Felsenküsten Richtung Triest das Traumziel.  Noch individueller wird es im Friauler Binnenland. Verstreut über den Hügeln liegen mächtige Bauernhöfe und jedes Wässerlein, jeder Windstoß und jedes Blätterrauschen der Bäume haben ihre eigene Sprache. Man hat den Eindruck, dass viele, die hierher kommen, sich verirrt haben, auf dem rechten Weg nach Grado oder Triest. Jedenfalls ist das Collio für mich der Flachgau des Südens und ich fühle mich daheim und mit Land und Leuten verbunden.

Wir sind im Herzen des Friaul. Ein Friaul, dass über die Jahrhunderte und ganz besonders vor einhundert Jahren ein wirklich schlimmes Schicksal durchgemacht hat. Quadern, Makomannen, Westgoten und die Hunnen mit Attila durchquerten das Land mit ihren Schwertern. Dann kamen noch die schnellen Krieger der Langobarden und Slawen, die hier Halt gemacht haben. Und der „Grande Guerra“ vor einem Jahrhundert sprengte sowieso alle Vorstellungskraft. Nicht Schwerter, sondern Kanonen waren jetzt die Sprache der Krieger. Die zwölfte und letzte Isonzoschlacht zwischen Österreich-Ungarn und Italien fand vor hundert Jahren statt. Jede dieser Schlachten kostete zwischen 50.000 und 100.000 Soldaten das Leben. Junge Männer mit Zukunft hatten plötzlich keine Zukunft mehr. Sie verreckten in den Schützengräben dies- und jenseits der Front.

Diese Ereignisse machen mich dankbar, dass ich unsere wunderbare Friedenszeit erleben und gestalten darf. Aber Frieden ist nicht selbstverständlich, auch wenn uns das nach so langer Friedenszeit vielleicht vorkommt. Deshalb wollen wir alles daran setzen, diesen Frieden in Europa zu erhalten. Wenn unser Beitrag auch nur klein sein kann, so ist er ein Beitrag. Und wenn viele einen mehr oder weniger kleinen Beitrag leisten, so ist es schlußendlich ein wichtiger, großer Beitrag für ein friedliches Miteinander.

Ein Gottseindank unblutiger Krieg tobte aber schon in den letzten Jahren zwischen Friaul und Ungarn.

Es ging um die autochthone Weißweinsorte „Tocai“. Nicht zu verwechseln, vor allem im Geschmack, mit dem ungarischen „Tokajer“. Die Ungarn hatten via EU verlangt, dass der jahrhundertelang im Friaul angebaute Tocai wegen Verwechslungsgefahr mit ihrem Tokajer seinen ursprünglichen Namen nicht mehr führen darf. 2006 gaben die EU-Bürokraten den Ungarn recht und seit 2008 heißt der ehemalige Tocai nunmehr „Friulano“. Viele Friulaner sind deswegen auf die römische Regierung böse. Sie glauben, dass sich die italienischen Politiker in Brüssel zu wenig für ihre Sache eingesetzt haben. Ich habe mich inzwischen an den Friulano gewöhnt. Ganz besonders auch deshalb, weil die Namensänderung keine Änderung der hochwertigen Qualität des Weines mit sich gebracht hat. Und wenn wir bei einem Weinbauern zur Verkostung geladen sind, nennen wir den Friulano trotzdem Tocai und freuen uns, dass uns die EU zumindest im Weinkeller nicht bürokratisch geiseln kann.

Eindrücke vom Patroziniumsfest

Am 15. August, zu Maria Himmelfahrt, wird an die Aufnahme Mariens im Himmel gedacht. In der Wallfahrtsbasilika Maria Plain – meinem Pilgerziel –  findet alljährlich an diesem Tag das Patrozinumsfest zu Ehren der Schutzpatronin statt.

Aufgang der festlichen Prozession nach Maria Plain

Einzug in die Basilica
Das mitgetragene Gnadenbild

Kapelle des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Im Hintergrund die Basilica Maria Plain
Blick über Salzburg in die Alpen vom Plainer Kalvarienberg aus 1686
Gasthof Maria Plain. Hier soll mein Pilgerempfang am 6. September stattfinden

Mein italienisches Pilger 1 x 1

  • Mi chiamo Helmut!
  • Vengo da Salisburgo!
  • Sono un pellegrino!
  • Vado da Cormons a Salisburgo!
  • Io vado da solo!
  • Ha (C`è) una camera singola libera per una notte?
  • Dov`è il sentiero per Tarvisio?
  • Non trovo il sentiero per Salisburgo!
  • Mi può aiutare?
  • Sono partito il diciotto agosto a Cormòns!
  • Arrivo il sei settembre a Salisburgo!
  • Dov`è la prossima chiesa
  • Cerco una chiesa!
  • Posso dormire nel monastero?
  • Dov`é il prossimo hotel, pensione, albergo, taverna con camera?
  • Ho una lettera di raccomandazione!